Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft: „Zu viel Pestizide, Kunstdünger und Monokulturen auf den Äckern.“
In der Zeit vom 9. März ist zu lesen, die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) habe Ende Januar ein Papier lancierte, worin die Fachorganisation der Agrarwirtschaft zum ersten Mal der industriellen Landwirtschaft öffentlich Fehler eingestehe:
„Landwirte brächten zu viel Kunstdünger und Pestizide auf den Acker und setzten zu oft auf Monokulturen. Eine kleine Revolution. Für den Bauernverband, der die Landwirte in Deutschland politisch vertritt, ist diese kleine Revolution schon zu groß.“
Der Bauernverband, der die Landwirte in Deutschland politisch vertritt, habe säuerlich reagiert.
Doch mit seinen „Zehn Thesen zur Landwirtschaft 2030“ verließe DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer nun die Wagenburg aus Bauernverband und DLG. [Anm.: Der Originallink scheint von der DLG-Seite genommen zu sein, auch ein zweiter ist derzeit nicht erreichbar.]
Eine Aufforderung zum Wandel: „An einigen Punkten überschreitet der Modernisierungspfad die Grenzen der Nachhaltigkeit, und er gefährdet die Resilienz der Systeme“, schrieben die Experten. „Landwirtschaft muss hier mehr unternehmen als bisher.“ Ob damit solidarische Landwirtschaft gemeint war bleibt offen.
Zunehmend wird außerdem anerkannt, dass mit den durch Pestizide und Monokulturen verringerten Schädlingen auch die entsprechenden Nützlinge fehlen. Nämlich die, die sich üblicherweise von den für Kulturpflanzen schädlichen Insekten oder Beikräutern („Unkräutern“) ernähren. Das sind u.a. nämlich Honig- und Wildbienen, die wiederum maßgeblichen Anteil an der Bestäubung von vielen Obstsorten haben, aber auch z.B. Tomaten. Ohne diese Nützlinge bleibt die Ernte aus. Dafür seien Agrargifte wie Glyphosat oder Neonicotinoide zuständig.
Durch den Spritzmitteleinsatz und zunehmende Monotonie durch Verkürzen von Fruchtfolgen seien die schwierigsten „Unkräuter“ wie der Ackerfuchsschwanz erst gezüchtet worden, sage laut der Zeit Agrarforscher Friedhelm Taube. Auch Windhalm, Flughafer und Weidelgras seien inzwischen gegen gleich mehrere Wirkstoffe resistent. Ertragsmengen seien bisweilen sogar rückläufig in der industriellen, konventionellen Landwirtschaft.
Die Hilflosigkeit wächst, weil die Pflanzenschutzindustrie kaum neue Mittel auf den Markt bringt. Unter der Überschrift Was passiert, wenn Unkrautvernichter nicht mehr vernichten? konstatierte das Wissenschaftsmagazin Science schon 2014, dass keine Herbizide in Aussicht seien, die zugleich effektiv und ökologisch verantwortbar wären. In dem Beitrag warnt Larry Steckel, Agrarexperte an der University of Tennessee: „Die Landwirte glauben, es wird schon was am Horizont auftauchen, das sie retten kann. Aber da ist nichts.“
Die Hersteller bestritten die Krise nicht. Hochwirksame Substanzen, die resistente Unkräuter bekämptfen, ohne die Nutzpflanze zu schädigen, würden immer schwerer zu finden sein, sage Bayer-Sprecher Utz Klages. Doch bevor das Thesenpapier vorschnell missverstanden wird als eines, was sich nun für flächendeckenden Ökolandbau stark macht, bedenke man lieber die Gründe, die hinter den enormen Firmenzusammenschlüssen der jüngsten Zeit stecken.
Die großen Chemie- und Saatgutkonzerne wie Bayer und Monsanto tun sich auch deshalb weltweit zusammen, weil sie statt an den Agrarchemikalien künftig an neuen „Lösungspaketen“ verdienen wollen, an Wetterdaten und Ernte-Robotern, an neuen Biospritzmitteln und neuen Züchtungstechniken. Vieles an dieser schönen neuen Agro-Welt wird den grünen Kritikern nicht schmecken, die der DLG jetzt applaudiert haben. Aber deren Vorstoß kann immerhin erreichen, dass der Artenkundler mit dem Biotechnologen, der Maschinenbauer mit dem Züchter, der Agrarinformatiker mit dem Ökobauern redet – und alle etwas dazulernen.
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