Was wir alles säen… Saatgut in Solidarischer Landwirtschaft
Eine Regionalgruppe, nämlich die Regiogruppe „Mittendrin“, hat ein paar Gedanken zur Saatgutfrage verfasst:
Saatgut wird mehr und mehr zum umkämpften Gut, wie dieses Jahr auch wieder an den Übernahmeverhandlungen von Bayer und Monsanto zu sehen war. Heutzutage erscheint es vielen Erwerbsgärtner*innen aufgrund der hohen Spezialisierung und des Produktionsdrucks unmöglich, selbst Samenbau oder Jungpflanzenanzucht zu betreiben. In dieser Situation sind sie darauf angewiesen, Saatgut von spezialisierten Unternehmen zu kaufen. Da jede Bäuer*in und Gärtner*in für jegliche Lebensmittelproduktion Saatgut benötigt, ist dies für die Unternehmen ein profitables Geschäft, während für die Bäuer*innen ein zunehmendes Abhängigkeitsverhältnis entsteht. Zugleich führen diese Prozesse zu einem weitgehenden Verlust an Vielfalt sowohl der integrierten Saatgutakteure als auch der züchterisch und gemüsebaulich bearbeiteten Arten und Sorten. In Deutschland sind in den vergangenen 100 Jahren etwa 90 Prozent der Kulturpflanzenvielfalt verloren gegangen. Wie können wir SoLawis mit dieser Situation umgehen? Woher bekommen wir unser Saatgut, und welche Alternativen gibt es für uns?
Diese und weitere Fragen stellen wir uns gerade – wir, das sind Gärtner*innen und SoLawi-Mitglieder in der Region Mitte, die sich seit Anfang 2016 (oder auch schon länger) mit dem Thema Saatgut in SoLawis beschäftigen. Aber wir sind nicht die ersten, die sich diese Fragen stellen: Im Jahr 2013 hat sich die Idee der RegioSaatCoops gegründet. Dies sind Zusammenschlüsse von Betrieben einer Region, die gemeinsam ihren Saatgutbedarf decken. Die Betriebe sprechen sind untereinander ab, übernehmen jeweils die Saatgutvermehrung für bestimmte Kulturen/Sorten, und das Saatgut wird innerhalb des Coop-Netzwerks weitergegeben. Herausfordernd dabei ist, dass die Saatgutarbeit neben den sonst anfallenden Arbeiten im Betrieb erledigt werden muss und damit Gefahr läuft, vernachlässigt zu werden. Darüber hinaus sind oftmals keine guten Reinigungs- und Lagervorrichtungen für das Saatgut vorhanden, was Auswirkungen auf die Saatgutqualität haben kann.
Hieraus ergeben sich wieder viele neue Fragen: Wie kann die Gesundheit und Keimfähigkeit des Saatgutes gesichtert werden? Wer hat die Zeit und Kapazitäten, sich um Samengärtnerei zu kümmern? Wie können wir verhindern, dass die Saatgutarbeit immer wieder im trubeligen Alltagsgeschehen „untergeht“? Wie wird diese Arbeit finanziert? Wo wird das Saatgut gelagert, wie wird es gereinigt, und wie wird es innerhalb des Netzwerks weitergegeben?
Ziel unserer Bemühungen könnte sein, als SoLawi-Bewegung ein starkes Zeichen zu setzen: Wir wollen nicht abhängig sein von der Saatgutindustrie! Wir wünschen uns viele verschiedene Initiativen, die Saatgut von Sorten vermehren und weiterentwickeln, die für SoLawis und kleine Betriebe geeignet sind. Wir wünschen uns ein stabiles und vielfältiges Saatgutnetzwerk, das auf einer lebendigen Zusammenarbeit von Bäuer*innen, Züchter*innen und Gärtner*innen beruht und einen regen Wissensaustausch möglich macht. Hierfür ist eine gute Portion Selbstermächtigung nötig, denn uns fehlt oft die Struktur, sowie das nötige Samenbauwissen und der züchterische Blick. Doch gleichzeitig soll uns dieses Vorhaben zeitlich und finanziell nicht überfordern und möglichst langfristig gesichert sein. Was tun?
Wir haben uns im Juli 2016 mit all diesen Fragen zusammengesetzt und Visionen gesponnen und Höhenflüge begangen. Als Ergebnis sind wieder viele Fragen herausgekommen: Wie wäre es, wenn es eine Person gäbe, die die SoLawis und andere interessierte Betriebe einer Region in deren Saatgutarbeit unterstützt und betreut, Wissen bündelt und weitergibt? Wie wäre es, wenn diese Person die verschiedenen Saatgutaktivitäten der Höfe koordiniert, bei Bedarf an einem Ort die Samenernte aufbereitet, die Qualität untersucht, und das gewonnene Saatgut zur Aussaat verschickt? Dies wäre zwar im Vergleich zur ursprünglichen RegioSaatCoop-Idee ein kleiner Schritt in Richtung Zentralisierung, doch vielleicht würde dadurch die Integration der Saatgutarbeit in den oft sehr arbeitsreichen SoLawi-Alltag erleichtert?
Finanziert werden könnte diese Arbeit zum Beispiel nach dem SoLawi-Prinzip: Betriebe, die Saatgut aus dieser Struktur beziehen wollen, bezahlen einen jährlichen Beitrag, der sich an den Saatguterzeugungskosten orientiert und bekommen dafür einen Anteil der Saatguternte des jeweiligen Jahres. Aber natürlich könnte sich auch alles ganz anders gestalten…je nach euren Ideen! Wir würden uns freuen, wenn ihr uns eure Gedanken hierzu mitteilt, an der Idee weiterspinnt und/oder zu einem der nächsten Treffen kommt, schreibt uns hierzu einfach eine Mail. Wir haben dieses Jahr auch schon einige Kulturen vermehrt, falls ihr Interesse daran habt, schicken wir euch gerne mehr Infos und Saatgut gegen Spende zu. Meldet euch!
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